Anklage gegen Boxer Sturm wegen Körperverletzung – “Das ist absurd”

Felix Sturm droht ein juristisches Nachspiel ©AFP

Die Staatsanwaltschaft Köln hat den früheren Boxweltmeister Felix Sturm nach dessen Dopingfall auch wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt und damit juristisches Neuland betreten.

Köln/Berlin (SID) Eigentlich gehört Körperverletzung zum Boxen dazu. Doch die Staatsanwaltschaft Köln sieht das im Fall von Felix Sturm anders – und versetzt damit die Boxwelt in Aufregung.

Der 39-Jährige habe durch sein Dopingvergehen im WM-Kampf gegen den Russen Fjodor Tschudinow 2016 die zulässigen Grenzen überschritten und müsse neben Selbstdoping und Teilnahme an einem Wettbewerb unter Dopingeinfluss auch wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt werden.

Tschudinow habe dem Kampf unter der Annahme einer Chancengleichheit zugestimmt, diese sei durch Sturms Doping aber nicht mehr gegeben, argumentierte die Kölner Behörde und bestätigte einen Bericht der Sport Bild. Sturm könne nun eine Stellungnahme abgeben, im Anschluss entscheidet die Kammer, ob und mit welchen Anklagepunkten das Hauptverfahren eröffnet wird.

Offenbar erhofft sich die Behörde durch das neue Delikt ein härtere Bestrafung. Während bei Selbstdoping das Strafmaß von einer Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsentzug reicht, droht Sturm im Falle einer Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren.

Die Nationale Anti-Doping Agentur (NADA) begrüßte die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. “Wir haben den Fall 2017 selbst zur Anzeige gebracht. Es liegt doch nahe, dass endlich geprüft wird, ob in so einem Fall eine gefährliche Körperverletzung vorliegt”, sagte NADA-Justiziar und -Vorstandsmitglied Lars Mortsiefer dem SID.

In der Box-Szene ist dagegen das Unverständnis groß. “Das ist absurd, so etwas habe ich noch nicht gehört”, sagte Präsident Thomas Pütz vom Bund Deutscher Berufsboxer (BDB). “Ich bin dafür, dass man Doping hart bestraft, klar, aber daraus eine Körperverletzung zu konstruieren, halte ich schon für sehr gewagt.”

Pütz befürchtet nun, dass die Anklage Schule machen könnte. “Wahrscheinlich wollen sie demnächst auch Manuel Charr wegen gefährlicher Körperverletzung drankriegen”, sagte der BDB-Chef und befürchtet eine Ausweitung des Skandals.

Der Fall Manuel Charr sorgt seit Wochen für Schlagzeilen. Mitte September war bekannt geworden, dass beim Schwergewichts-Weltmeister aus Köln im Rahmen einer Trainingskontrolle die Einnahme der Anabolika Epitrenbolon und Drostanolon nachgewiesen worden war. Der anschließende WM-Kampf gegen Fres Oquendo (Puerto Rico) musste abgesagt werden.

Seitdem wird das Verfahren durch widersprüchliche Aussagen von Charr und durch Hinweise auf Verfahrensfehler begleitet. Noch immer ist nicht klar, wie der Weltverband WBA Charr sanktionieren wird.

“Ich habe vor drei Wochen ein Schreiben von der WBA erhalten, dass Manuel Charr für sechs Monate gesperrt wird”, sagte Pütz dem SID. Ob der in Köln lebende Charr den WM-Gürtel behalten darf, ginge aus dem Schreiben nicht hervor, “wäre aber doch eigentlich nicht vorstellbar”, meinte Pütz.

Charrs Promoter Bernd Trendelkamp widersprach. “Wir haben nichts Neues von der WBA erfahren, schon gar nichts zum Gürtel. Es gab vor drei Wochen ein Schreiben von der WBA, das wir aber nicht als offiziell eingeschätzt haben. Wir haben trotzdem prophylaktisch Widerspruch eingelegt”, sagte Trendelkamp am Mittwoch dem SID.

Von der WBA war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Doch sollte das Dopingvergehen bestätigt werden, wird sicherlich auch die Staatsanwaltschaft wieder prüfen, ob ein Fall von gefährlicher Körperverletzung vorliegen könnte. Allerdings war Charrs Probe offenbar nicht im direkten Umfeld eines Kampfes genommen worden – was den “Koloss aus Köln” entlasten dürfte.


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