Der Nürnberger Doping-Experte Fritz Sörgel warnt nach dem Freispruch für den russischen WM-Kader durch den Fußball-Weltverband FIFA vor falschen Schlussfolgerungen. “Es bleibt trotzdem eine Systemfrage. Es mag ja sein, dass bei den Aktiven keine belastenden Beweise gefunden worden sind – aber das Dopingsystem ist nach wie vor vorhanden”, sagte der Pharmakologe dem SID: Man sollte nicht annehmen, dass es im Fußball anders ist.”
Die FIFA hatte die 28 Spieler im vorläufigen Kader des WM-Gastgebers am Dienstag von den jüngsten Dopingverdächtigungen freigesprochen. Die Untersuchungen wurden “mangels ausreichender Beweise für das Vorliegen eines Verstoßes” eingestellt. Der Weltverband versicherte, sich eng mit Richard McLaren abgestimmt zu haben, dem Sonderermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) in der Causa Russland. Die WADA reagierte auf SID-Anfrage “zufrieden”, die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) verwies auf die “Bestätigung der Ergebnisse” durch die Dachorganisation.
“Vor den Olympischen Spielen in Südkorea waren aus Russland ähnliche Verlautbarungen zu hören, dass alle Sportler sauber und negativ getestet seien”, sagte Sörgel. Während der Winterspiele waren dann aber der Curler Alexander Kruschelnizki und die Bob-Pilotin Nadeschda Sergejewa überführt worden. “Das System ist im Vertuschen zu gut, als dass man zu viel Vertrauen haben sollte”, sagte Sörgel.
Dass es während der WM (14. Juni bis 15. Juli) positive Doping-Test gibt, hält der Experte aber für unwahrscheinlich. “So dumm kann niemand sein”, sagte Sörgel: “Wir wollen hoffen, dass die FIFA das optimal organisiert in einem Land mit der spektakulärsten Dopingvergangenheit der letzten acht Jahre.”
Sportpolitikerin Dagmar Freitag äußerte, dass “Misstrauen” erlaubt sein dürfe. “Sowohl die FIFA als auch das russische Sportsystem gelten ja seit geraumer Zeit nicht wirklich als die Hüter der Integrität des Sports”, sagte die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag dem SID.
Der Weltverband habe mit der Pressemitteilung vom Dienstag aber sein Ziel erreicht. “Wenn nun doch noch der eine oder andere russische Fußballer aus der zweiten Reihe des Dopings überführt werden sollte, wird das nur noch ein kleines Rauschen verursachen. Die WM wird das dann jedenfalls nicht beeinträchtigen”, sagte Freitag, die infrage stellte, “wie intensiv die FIFA wirklich gesucht hat”.