“Desaströs”, “deprimierend”, “vogelwild”: Drei deutsche Fußball-Weltmeister haben die DFB-Auswahl für ihren entlarvenden Auftritt zum Auftakt der WM in Russland harsch kritisiert. Lothar Matthäus, Paul Breitner und Guido Buchwald reagierten zum Teil fassungslos auf die Niederlage gegen Mexiko. Nur der frühere Bundestrainer Berti Vogts und Philipp Lahm, Kapitän beim Titelgewinn vor vier Jahren in Rio de Janeiro, versuchten, Hoffnung zu verbreiten.
“Das 0:1 war noch gnädig. Ich habe die deutsche Mannschaft bei einem großen Turnier lange nicht mehr so schwach gesehen”, sagte Matthäus (57) in der Bild. Buchwald (57), gemeinsam mit Matthäus 1990 Weltmeister in Rom, beschrieb im Gespräch mit den Stuttgarter Nachrichten Defizite in der Raumaufteilung im Mittelfeld: “Unsere Abwehrspieler konnten am allerwenigsten dafür, dass es im deutschen Strafraum teilweise vogelwild zuging.”
Am deutlichsten wurde Paul Breitner in der TZ, der 1974er-Weltmeister vermisst die Führungsspieler in der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw. “Was mich am allermeisten gestört hat und ich nicht verstehe: Wir haben keinen Problemlöser! Kein Spieler ist in der Lage, ein Problem zu lösen, wenn es schwierig wird”, sagte der 66-Jährige: “Es plätschert alles vor sich hin, jeder wartet auf irgendeine Idee des anderen und jeder weiß, dass sie nicht kommt. Es war deprimierend zu sehen, wie hilflos unsere Mannschaft war.”
Auch in der Offensive sieht Breitner einige Baustellen. “Unser Problem ist auch, dass wir im Moment keinen Stürmer haben, der im Strafraum eine Szene verwerten kann”, sagte er und sprach Leipzigs Timo Werner an: “Nichts gegen Werners Spiel, aber mit einer falschen Neun wirst du nicht Weltmeister. Die Art und Weise, wie unsere Mannschaft gespielt hat – desaströs zum Teil – ist für mich schon ein Alarmzeichen.”
Mut machte derweil Lahm (34). “Die deutsche Mannschaft hat einfach nicht ihre Leistung abgerufen. Das kann passieren”, sagte Lahm am Montag in Moskau: “Aber die Mannschaft ist erfahren, das Trainerteam ist sehr erfahren, die wissen wie sie mit der Niederlage umgehen müssen. Es ist noch alles möglich. Manchmal schadet ein kleiner Rückschlag nicht, um noch enger zusammenzurücken.”
Der 1974er-Weltmeister Vogts (71) erklärte die beiden kommenden Spiele gegen Schweden und Südkorea derweil zur Charakterfrage. “Jetzt wird sich zeigen, aus welchem Holz die Spieler wirklich geschnitzt sind. Es darf keine Schuldzuweisungen geben, man muss zusammenrücken”, schrieb der ehemalige Bundestrainer in einem Gastbeitrag für die Rheinische Post: “Wir werden jetzt das wahre Gesicht dieser Mannschaft kennenlernen.”
Anders bewerteten die Ex-Nationalspieler Michael Ballack, Dietmar Hamann und Manfred Schwabl die Vorstellung des Mitfavoriten. “Die Balance stimmt nicht. Es gibt keinen Teamgeist, Hunger und auch nicht genug Leidenschaft”, schrieb Ballack (41) bei Twitter. Sein früherer Teamkollege Hamann (44) sagte bei Sky Sport News HD: “Wenn wir keine andere Mannschaft sehen, dann habe ich große Bedenken, dass wir die nächste Runde erreichen.”
Auch Schwabl ärgerte der Auftritt der DFB-Elf. “Gegen Mexiko hat Deutschland nach dem Motto ‘Das läuft schon irgendwie, der Ball fällt schon noch rein’ gespielt – so kannst du bei einer WM aber natürlich nicht auflaufen, das geht nirgendwo im Fußball, nicht einmal in der 3. Liga”, sagte Schwabl (52) im Münchner Merkur.